Walter Caldonazzi

Walter Caldonazzi wurde am 3. Juni 1916 in Mals (heutiges Südtirol) geboren. Er besuchte das Bundesgymnasium in Kufstein und begann nach der Ablegung der Reifeprüfung das Studium der Forstwirtschaft in Wien. Im Frühsommer 1941 bestand Caldonazzi die 3. Staatsprüfung und wurde zum Diplom-Ingenieur der Forstwirtschaft graduiert. Danach übernahm er vorerst eine Assistentenstelle am Institut für Forsteinrichtung und Forstverwaltungslehre an der Hochschule für Bodenkultur, wechselte dann aber in eine private Forstkanzlei über.

Walter Caldonazzi entstammte einer zutiefst katholischen und christlich-sozial eingestellten Familie. Er war Mitglied einer katholischen Schülerverbindung und später – bis zu deren Verbot durch die Nationalsozialisten – einer katholischen Studentenverbindung. Caldonazzi dürfte aber nicht nur in politischer und religiöser Hinsicht stark von seinen Eltern beeinflusst worden sein, auch als „aktiv im Widerstand Tätige“ mögen sie als Vorbilder gewirkt haben. Walters Mutter Wilhelmine war bereits 1939 zu einer viermonatigen Haftstrafe auf Grund eines Vergehens gegen das „Heimtückegesetz“ verurteilt worden. Ihr Vergehen bestand darin, dass sie sich in einem Brief an eine ungarische Freundin kritisch über die Nationalsozialisten geäußert hatte. Auch der Vater, Rudolf Caldonazzi, war bereits seit den Tagen des Anschlusses aktiv in einer Widerstandsgruppe in Kramsach, Tirol, engagiert gewesen. Registriert als „politisch nicht verlässlich“ hatte er mehrmals seinen Arbeitsplatz verloren. Dennoch blieb er bis zum Ende des Krieges im Widerstand aktiv (1).

In Wien schloss sich Walter Caldonazzi der Widerstandsgruppe um den Pfarrer von Gersthof, Dr. Maier, und den Generaldirektor der Semperitwerke, Dr. Franz Messner (aus Brixlegg in Tirol) an. Das Hauptaugenmerk in der Widerstandsarbeit der Maier-Messner-Gruppe lag vor allem in der Verbreitung von Propagandamaterial gegen das NS-Regime. Die Gruppe druckte und verteilte oppositionelles Schriftmaterial, ermöglichte Soldaten durch die Weitergabe von Fieber verursachenden Mitteln, der Verschickung an die Front zu entgehen und hoffte so, ihr Ziel – die „Wiedererrichtung eines selbständigen Österreich unter Einbeziehung Bayerns und Südtirols“ – zu erreichen. Ihr wichtigster Beitrag im Widerstand gegen den Nationalsozialismus war aber die Weitergabe wichtiger militärischer und wirtschaftlicher Informationen an das „Office of Strategic Services“ (OSS), dem Büro des militärischen Geheimdienstes der Vereinigten Staaten mit Sitz in Bern. Durch Dr. Franz Messner konnten die Amerikaner so über wichtige technische Entwicklungen im Militärbereich mit Informationen versorgt werden. Weitere Informationen betrafen die Standorte von Industrie- und Rüstungsanlagen. Mittels dieser Hinweise war es der amerikanischen Armee möglich, die Anlagen durch gezielte Bombenangriffe zu zerstören (2).

Über einen relativ langen Zeitraum hinweg war es der Gruppe um Maier – Messner möglich, von der Gestapo und ihrem Spitzelsystem unbemerkt ihrer Widerstandstätigkeit nachzugehen, ehe die Gruppe 1944 schließlich doch aufgedeckt wurde. Im Februar und März des Jahres 1944 wurden zahlreiche Mitglieder der Widerstandsbewegung verhaftet – unter ihnen auch Walter Caldonazzi. Seine Festnahme erfolgte am 25. Februar 1944, und nicht, wie in verschiedenen Publikationen fälschlicherweise angegeben, am 15. Jänner 1944. Mit diesem Tag begann seine 14 monatige Haftzeit, während der er nicht nur ständigen Demütigungen ausgesetzt war, sondern auch durch Folterungen gezwungen werden sollte, seine Mitstreiter in der Gruppe Maier-Messner zu verraten. Walter Caldonazzi blieb standhaft! Der Gestapo gelang es nicht, an weitere Informationen über die Bewegung heranzukommen.

Im Herbst 1944, acht Monate nach seiner Festnahme wurde schließlich am Volksgerichtshof I in Wien Anklage gegen Dipl.Ing. Caldonazzi erhoben. In der Anklageschrift wurden ihm und seinen neun Mitstreitern vorgeworfen, „in den Jahren 1942 – 1944 durch Beteiligung an einem separatistischen Zusammenschluss den Hochverrat vorbereitet“ (3) und die Feinde des Deutschen Reiches begünstigt zu haben. In der Anklage hieß es weiters, dass die Gruppe Maier „staatsfeindliche Flugblätter hergestellt…. Verbindungen zum feindlichen Ausland aufgenommen und dieses auf deutsche Rüstungswerke zum Zwecke des Luftbombardements hingewiesen“ hätte (4).

Am 28. Oktober 1944 wurden Walter Caldonazzi und sieben seiner Mitangeklagten „ohne Beweise verurteilt — mit Hilfe der Annahme §“(5). Er wurde für schuldig befunden, „durch den Aufbau einer österr. Freiheitsbewegung den separatistischen Hochverrat in den Alpen- und Donaugauen vorbereitet zu haben“ (6) und „zum Tode und zum Ehrenrechtsverlust auf Lebenszeit“ (7) verurteilt.

Aus dem Gefängnis geschmuggelte Briefe, die Caldonazzi an seine Angehörigen, seinen Vater Rudolf, seine Schwester Herta und seine Braut Hedi schrieb, geben uns ein Bild von der Unmenschlichkeit der Nationalsozialisten. So heißt es in seinem vorletzten Brief, datiert mit 5. Jänner 1945:

„Was mich tief erschüttert hat, ist die Tatsache, dass die Wiener Gestapoleute (…) den Preußen an Brutalität nicht nachstehen, ja diese noch übertreffen“ (8).

Wenige Tage vorher, am Neujahrstag 1945 schrieb er:

„Was ich an Brutalität und Herzlosigkeit von Menschen im Jahre 44 erfahren habe, lässt mich leicht von dieser Welt scheiden. Wir sind hier keine Menschen mehr, nur mehr Tiere“ (9).

Auch den Tod unmittelbar vor Augen zweifelte Walter Caldonazzi nicht an seinem Einsatz für ein unabhängiges Österreich: „… dass ich mein Leben für eine gute Sache lasse, besser als ich wäre gegen meine Überzeugung für Hitler als Soldat gefallen“ (10), und dennoch bat er seine Angehörigen um Verständnis für sein Tun: „Ihr wisst, ich war immer ein Gegner des Krieges, immer ein Feind des geistlosen preußischen Militarismus. Macht mir keine Vorwürfe, bitte, mir war dieser scheußliche Tod vorgezeichnet, ich trage mein Los voll ergeben als treuer Christ“ (11).

Bis zuletzt war Caldonazzi weniger mit seinem eigenen Schicksal beschäftigt, als mit dem seiner Angehörigen. Am 1.1.1945 wünscht er „Vater, Herta und Hedi … alles Gute für dieses Jahr. Wenn auch dieses Jahr durch meinen Tod in Bitternis beginnt, so hoffe ich doch, dass es euch durch das zu erwartende Kriegsende, viel Freude bringen wird“ (12).

Walter Caldonazzi war ein Mann von großer Charakterstärke und tiefer Gläubigkeit. Als solcher ging er im Jänner 1945 in den Tod, da sowohl der von seinem Rechtsanwalt gestellte Wiederaufnahmeantrag als auch das Gnadengesuch abgelehnt worden waren. „Dipl. Ing. Walter Caldonazzi wurde am Dienstag, den 9. Jänner 1945 durch das Fallbeil hingerichtet und starb um 18.04 abends“ (13). Seine Schwester Herta wurde mit einem kurzen, mit 24. März 1945 datierten Schreiben von seinem Tod in Kenntnis gesetzt: „Das Todesurteil gegen Ihren Bruder Walter Caldonazzi ist am 9. Januar 1945 vollstreckt worden. Die Veröffentlichung einer Todesanzeige ist unzulässig“ (14).

Walter Caldonazzi wurde vorerst auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet. 1947 wurde sein Wunsch, auf einem Waldfriedhof beerdigt zu werden, von einem ehemaligen Mithäftling, dem Pfarrer von Breitenfurt erfüllt. Caldonazzis Leichnam wurde exhumiert und mit allen Ehren in Breitenfurt beigesetzt. 1976 wurde der Leichnam erneut umgebettet und fand schließlich seine letzte Ruhe in der Familiengrabstätte auf dem Pradler Friedhof in Innsbruck (15).

Caldonazzi wurde nur wenige Monate vor Kriegsende hingerichtet. Er starb mit dem Wissen, seinen Beitrag für das Ende von Krieg und Naziherrschaft und für seine geliebte österreichische Heimat geleistet zu haben: „Wir sterben ja nicht als Verbrecher, sondern als Österreicher, die ihre Heimat lieben und als Gegner dieses Krieges, dieses Völkermordens“ (16). Caldonazzi hoffte, dass „wir nicht umsonst sterben, dass Euch eine bessere Zeit beschieden sei“ (17). Seine Haltung wurde nicht enttäuscht, sein Tod und aller jener, die ebenfalls im Widerstand gegen Hitler ihr Leben riskiert hatten, war nicht umsonst, sondern von großer Bedeutung für die Wiedererstehung Österreichs.

Quellenverzeichnis

  1. Killian, Herbert, „Österreichisches Forstbiographisches Lexikon“, Band 5, Wien 1994, Seite 103
  2. Luza, Radomir, „Der Widerstand in Österreich 1938-1945“, Österreichischer Bundesverlag, Wien 1985, Seite 198
  3. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Wiederstandes, Hsgb: „Widerstand und Verfolgung in Wien 1934-1945“, Österreichischer Bundesverlag-Jugend und Volk, Wien 1984, 2. Auflage, Seite 119
  4. ibidem, Seite 119
  5. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Zl. 1.594, Brief von Walter Caldonazzi an seine Verlobte Hedi, vom 26. November 1944
  6. ibidem
  7. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Hsgb: „Widertand und Verfolgung in Wien 1934-1945“, a.a.o. Seite 120
  8. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Zl. 1.594, Brief von Walter Caldonazzi vom 5. Jänner 1945
  9. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Zl. 1.594, Brief von Walter Caldonazzi vom 1. Jänner 1945
  10. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Zl. 1.594, Brief von Walter Caldonazzi vom 5. Jänner 1945
  11. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Zl. 1.594, Brief von Walter Caldonazzi vom 1. Jänner 1945
  12. ibidem
  13. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Zl. 1.594, Auszug aus dem Gerichtsakt
  14. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Zl. 1.594, Mitteilung des Oberreichsanwaltes beim Volksgerichtshof an Herta Caldonazzi, vom 24. März 1945
  15. Kilian, Herbert, „Österreichisches Forstbiographisches Lexikon“, a.a.o. Seite 107
  16. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Zl. 1.594, Brief von Walter Caldonazzi vom 26. November 1944
  17. ibidem

Ergänzung von Hubert Kammerlander:

Der in obiger Quellenangabe unter (9) und (11) angeführte Brief von Walter Caldonazzi enthält u.a. auch einen ganz besonderen letzten Wunsch. „Eine Freude hätte ich, d.h. Bitte: Bringt mir am schönsten Platz der Welt, wie er mir schien, am Almkreuz auf der Praa-Alm ein Marterl an. Mit der Bitte um Gebet und den Worten: O Land Tirol, mein einzig Glück, Dir sei geweiht mein letzter Blick“! Dieser Wunsch ist Caldonazzi von seinen Wildschönauer Freunden, Mitglieder der dortigen Widerstandsgruppe um Waldaufseher Johann Naschberger, Angerhof, nach Kriegsende erfüllt worden. An diesem Platz fanden und finden immer wieder Gedenkfeiern statt. Das morsch gewordene Kreuz wurde 2017 mit Zustimmung und Unterstützung der Alm-Eigentümerfamilie Riedmann durch ein neues aus Lärchenholz an einem geschützten Platz ersetzt. Auf einer Messingtafel sind seither neben Walter Caldonazzi jetzt auch die Namen der übrigen Tiroler Forstleute angeführt, die ebenso im Widerstand gegen das Nazi-Regime zu Tode gekommen sind. Der Lebens- und Leidensweg jedes Einzelnen von ihnen kann dort von Besuchern nachgelesen werden. Dieser Gedenkplatz ist ein gemeinsames Werk von Tiroler Fortverein sowie K.Ö.H.V. Amelungia.

Zur Erinnerung an Dipl. Ing. Walter Caldonazzi sind auch in Kufstein und Kramsach Gedenktafeln angebracht, und in Wien-Hietzing ist ein Platz nach ihm benannt.

Skip to content