Baum des Jahres 2024

Stiel- und Traubeneiche

Von: Birgit Kluibenschädl, Manfred Hotter und Vereinigung der Waldaufseher & Forstwarte Tirols – www.waldaufseher.org

Mit der Stieleiche (Quercus robur) und der Traubeneiche (Quercus petraea) werden 2024 gleich zwei Baumarten zum Baum des Jahres gekürt. Da sich die beiden Eichenarten sehr ähneln, werden sie gemeinsam vor den Vorhang geholt.

Links: Stieleiche
Rechts: Traubeneiche
aus: HEGI 1912, Flora von Mittel-Europa

Der „Baum des Jahres“ wird in Zusammenarbeit des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus mit dem Kuratorium Wald jedes Jahr neu bestimmt. Damit soll auf eine bedeutende, aber auch gefährdete Baumart aufmerksam gemacht werden. Gleichzeitig will man ein Bewusstsein für den Wald sowohl in seiner Gesamtheit als auch in seiner vielfältigen wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Bedeutung für uns Menschen schaffen.

Steckbrief

Weltweit gibt es etwas 500 verschiedene Eichenarten, die auf allen Kontinenten außer Australien vorkommen. In Tirol kommen zwei Arten vor. Die Unterscheidung ist u.a. anhand der Blätter möglich: die Stieleiche hat einen kurzen Blattstiel, der Blattgrund ist „geöhrt“. Die Eicheln sitzen einzeln an langen Stielen. Die Traubeneiche hat einen über 1 cm langen Blattstiel, der Blattgrund ist keilig geformt. Ihre Früchte sitzen gehäuft an sehr kurzen Stielen. Eichen können bis zu 40 m hoch wachsen. Sie werden 500 bis 800 Jahre alt, in Ausnahmefällen sogar über 1000 Jahre.

In Nordtirol ist die Stieleiche auf unterschiedlichen Standorten – von Auwaldresten bis zu warmen Steilhängen – deutlich häufiger zu finden, die Traubeneiche ist seltener und konzentriert sich hier auf die wärmsten und trockensten Lagen im Inntal zwischen Stans und Prutz. In Osttirol ist wiederum die Traubeneiche häufiger, sie steigt dort bis ca. 1200 m Seehöhe. Aktuell gibt es in Tirol nur noch wenige, kleinflächige Restbestände von Eichenmischwäldern, bekannt sind laut Biotopkartierung ca. 150 – 160 Hektar.

Ökologie und Waldbau

Bei der Waldtypisierung Tirol wurden in der collinen und submontanen Stufe neun verschiedene potenzielle Waldtypen beschrieben, in denen die beiden heimischen Eichen eine wichtige Rolle als Hauptbaumarten spielen. Alle finden sich auf der „Roten Liste der Wald- und Gebüschgesellschaften Tirols“!
Beide Eichenarten haben bezüglich ihres Nährstoffanspruches eine weite ökologische Amplitude, d.h. sie können auf unterschiedlichen Kalk- und Silikatböden gedeihen. Auf feuchteren Standorten wie in Auwäldern fühlt sich die Stieleiche wohler. Das schönste Beispiel dafür ist wohl der bekannte „Stamser Eichenwald“.
Die Eichen als anpassungsfähige, wärmeliebende und trockenresistente Baumarten werden im Zuge der Klimaerwärmung größere forstliche Bedeutung bekommen. Sie tragen zukünftig ein wesentlich geringeres Risiko wie z.B. Fichte, Kiefer oder auch Buche. Sowohl die Stiel- als auch die Traubeneiche sind Tiefwurzler und dadurch besonders sturmfest. Für beide Arten gibt es in Tirol mehrere zertifizierte Saatguterntebestände.

Die submediterrane Flaumeiche (Quercus pubescens), in den trockensten Lagen Südtirols weit verbreitet, gilt in Tirol als nicht heimisch. Sie wird aber versuchsweise – z.B. im Bezirk Landeck – aufgeforstet, um ihre Tauglichkeit für besonders vom Klimawandel betroffene Trockenstandorte zu prüfenEichen sind wie keine zweite Baumart von unterschiedlichen Organismen besiedelt und damit besonders wichtig für die Biodiversität in unseren Wäldern. Sie sind als Teil des Ökosystems Lebensraum und Nahrungsquelle, z.B. für diverse Vogelarten (Grau-, Bunt- und Kleinspecht, Eichelhäher), aber auch spezifische Pilze (z.B. Leberreischling).

In der Forstvereins-Naturwaldzelle „Ampasser Hügel“ ist die Stieleiche auf der Sonnseite die dominante Baumart, sie wächst dort in einer seltenen Waldgesellschaft mit Weißkiefern, am Schatthang ist sie mit der Winterlinde gemischt. Es kommen hier über 460 Pilzarten vor.

Von allen heimischen Baumarten leben in und an der Eiche die meisten Insektenarten. Sie hat wie kaum eine andere Baumart eine Vielzahl von pilzlichen Begleitern, die vom Keimling bis zum Baumstumpf zu beobachten sind. Allein von den beiden Ordnungen der Großschmetterlinge und der Käfer sind schon sehr viele Arten an Eichen nachgewiesen. Bekannt sind in Mitteleuropa ca. 180 Großschmetterlingsarten sowie rund 1000 Käferarten (u.a. der Hirschkäfer). Die Eichen dürfen damit als eine der an Tierarten reichsten Bäume der heimischen Flora betrachtet werden, wobei bislang nicht zwischen der Fauna an Trauben- und Stieleiche unterscheiden wurde. Diese Vielfalt begründet sich auf verschiedenen Faktoren. Die Gattung Quercus ist entwicklungsgeschichtlich wesentlich älter als beispielsweise unsere Rotbuche. Auch sind die Eichen nach der letzten Eiszeit etliche tausend Jahre früher als die Rotbuche wieder aus Südosteuropa eingewandert, so dass eine längere Phase der Koevolution zwischen den Tierarten und den Eichen stattfinden konnte.

Hirschkäfer-Pärchen in Terfens (Foto: J. Müller, 2011)

Die Eichen dürfen damit als eine der an Tierarten reichsten Bäume der heimischen Flora betrachtet werden.

Sinnbild höchster Kraft und Symbol für die Ewigkeit

Die Eiche war der Baum der keltischen Stämme schlechthin, Sinnbild für ihre Stärke, Größe und Macht, aber auch ihres Mutes, ihrer Tapferkeit und Treue. Sie gehörte zu den sieben heiligen Bäumen, die keiner fällen durfte. Ihr Name „Duir“ gab den Druiden ihre Bezeichnung.

Im keltischen Baumkreiszeichen der Eiche ist man nur am 21. März geboren. An diesem Tag Geborene sollen kraftvolle, beeindruckende Charaktere mit festen Werten sein. Eichenlaub wird seit jeher als Symbol für diverse Auszeichnungen verwendet.

Jedem Menschen ist entsprechend seinem Geburtsdatum ein persönlicher Lebensbaum im keltischen Baumkreis zugeordnet, der ihn sein Leben lang begleitet.

Nutzung

Eichen haben ein helleres Splintholz und ein graubräunliches Kernholz, es ist besonders beständig, fest und dicht und gehört daher zu den wertvollsten und wichtigsten europäischen Edellaubhölzern. Das Holz wird in verschiedenen Bereichen eingesetzt, wie zum Beispiel im Möbelbau, Innenausbau, Brückenbau, Drechslerei und Schnitzerei. Es kann als Furnier- und Pfahlholz sowie als Bau- und Konstruktionsholz verwendet werden. Gut geformte Bloche können als teures Wertholz verkauft werden, aber auch als Brennholz leisten die Eichen gute Dienste. Zum Ausbau von Wein, aber auch von Whisky und Bier werden Eichenfässer verwendet.

Von allen Eichenarten eignen sich nur ca. 180 zur Herstellung von Weinfässern. Früher waren auch die Rinde und die durch Eiablage der Gallwespe entstehenden Galläpfel von großer Bedeutung. Sie dienten als wichtige Grundlagen für die Gerberei und zur Herstellung von Farben und Tinte.

Die Eicheln sind reich an Kohlenhydraten und Proteinen, deshalb wurde früher Schweine im Herbst in den Wald getrieben, um sie zu mästen.

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